Liebe(r) nicht

Ich bin irgendwie wohl zu spießig und zu verkrampft für diese Welt. Nach meiner Vorstellung ist “Liebe” oder “Lieber” eine Anrede, die man für Leute verwenden sollte, denen gegenüber man tatsächlich so etwas wie Zuneigung empfindet, gar nicht mal auf einer amourösen Ebene, sondern schlicht und ergreifend im Sinne von “jemandem freundschaftlich gesonnen sein”.

Ich jedenfalls empfinde es als unangenehm, wenn ich in Mails von Lehrbeauftragten der Uni oder von Arbeitskollegen (m/w) mit denen ich kaum Kontakt habe, mit “Lieber S.H.” angeschrieben werde.

Ich finde, das ist entweder aufdringlich oder aber herablassend.
Solange man sich nicht duzt, passt meiner Meinung nach eine solche Anrede nicht, denn sie drückt eine Verbundenheit und Nähe aus, die ganz sicher nicht existiert.
Herablassend wirkt das ganze, wenn der gesamte Stil des Anschreibens so klingt, dann schwingt in der Anrede schon ein “Mein” mit und “mein lieber S.H.” klingt so, wie man vielleicht mit kleinen Kindern spricht, die ungezogen waren oder denen man mitteilen möchte, dass sie etwas nicht verstehen.

Was spricht denn gegen ein formloses “Hallo Herr Hirschmann”, das ist weniger aufdringlich und zugleich weniger gezwungen und verkrampft als “Sehr geehrter Herr”, bei dem ich mir schon auch selbst leicht veräppelt vorkomme.

Möglicherweise sollte man sich drüber freuen, dass es Menschen gibt, die derart offen und aufgeschlossen sind – zumindest augenscheinlich. Ich bleibe trotzdem in den meisten Fällen dabei:
“Liebe(r)… lieber nicht”.

Danke.