Warcraft-Welten

Bei einer kleinen Aufräumaktion fiel mir heute eine etwas ältere Backup-DVD in die Hände, die neben zahlreichen Musik- und Juxvideos auch die Videosequenzen aus Warcraft III – Reign of Chaos enthielt. Nachdem ich ja ohnehin in nostalgischer Stimmung bin, wie in quasi allen letzten Einträgen erwähnt, warf mich auch dieser Zufallsfund – nach dem Genuss der diversen In- und Outro- sowie Zwischensequenzen in einen Zustand von Nostalgie und Nachdenklichkeit.

Ja, ich gehöre zu denen, die der Serie seit 1994 die Treue halten. 1994, als drei Viertel der heutigen Internet-Nutzer Computer noch für ausschließlich Schreibmaschinen mit Bildern oder Spielzeug für Mathefreaks hielten. 1994, als die kalifornische Softwareentwicklungsschmiede Blizzard Entertainment mit mit Warcraft: Orcs & Humans nicht nur den ersten Teil der Warcraft-Reihe veröffentlichte, sondern auch eines der ersten Echtzeitstrategiespiele überhaupt. Ausgeliefert wurde das Originalspiel noch auf niedlichen 3,5″ Disketten – oder alternativ, für die ganz Fortschrittlichen, auch schon auf CD-Rom. Und bevor jemand fragt: Ja, diese CD-Rom liegt noch immer hier :-)

Was einmal daraus werden würde, ahnte man im Hause Blizzard sicher nicht.

1995 folgte mit Warcraft II: Tides of Darkness der Nachfolger, der dank SuperVGA-Auflösung nicht nur besser aussah, sondern auch ein deutlich besseres Interface bot, vor allem aber die spannende Geschichte des Königreichs Azeroth, des mächtigen Magiers Medivh (Alliteration nicht beabsichtigt) oder des Orc-Hexenmeisters Guldan voranbrachte. Blizzard spendierte “Tides of Darkness” ein Add-On, mit zusätzlichen Karten, neuen Charakteren und – natürlich – weiteren Storyaspekten und -elementen.

Und obwohl ich in diesem einen Punkt nie das Geek-Klischee erfüllte – spätestens mit Warcraft II war ich zum Fantasy-Freak geworden. Ich wollte Drachen, wollte Schwerter und Äxte, wollte Orcs und gepanzerte Menschen gegeneinander in die Schlacht schicken, wollte Magie…

Lange Jahre nährte Blizzard die Gerüchte um ein Rollenspiel namens “Warcraft Adventures”, präsentierte Konzeptzeichnungen, grobe Storyideen und fütterte die Presse mit Gerüchten. Ich war niemals ein Rollenspielfan, konnte mich nie für die Spielidee begeistern. Durch die Welten Azeroths oder Draenors aber wäre ich gern mit einer Gruppe NPCs gezogen.

2002 aber kam erstmal Warcraft III: Reign of Chaos. Das Intro-Video wurde vorab als Quasi-Promotion für den damals noch recht neuen und extrem beeindruckenden DivX-Videocodec verwendet. Nicht nur die Videoqualität veranlasste mich, den Trailer wieder und wieder anzusehen. Jahre nach dem letzten Lebenszeichen meiner geliebten Fantasy-Welt kündigte sich Neues, Großes, Prächtiges an. Am Erscheinungstag hielt ich das Spiel in Händen und war mit Eifer dabei. Nicht nur, dass plötzlich zu Orcs und Menschen zwei weitere Rassen, Nachtelfen und Untote nämlich, gekommen waren – es gab auch Dutzende neue Einheiten, Karten, Ländereien zu entdecken. Und überhaupt sah das Spiel fantastisch aus – nicht nur in den Videosequenzen, sondern gerade auch im Spiel selbst. Ob die Untoten das fruchtbare Land langsam aber sicher in eine schwarze Einöde verwandelten um dort bauen zu können oder die Eis- und Feuerdrachen ihren tödlichen Atem auf den Feind niedergehen ließen… Das Spiel war wunderschön und die Story zog mich noch tiefer ins Warcraft-Universum hinein.

Unweigerlich kam irgendwann der Punkt, an dem andere Spiele mich stärker in Anspruch nahmen. Das Add-On “The frozen Throne” hatte bei mir zwar eine ähnlich anhaltende Motivationskurve wie das Hauptspiel, dennoch war irgendwann einfach der Punkt erreicht, an dem “ein oder zwei Runden Warcraft zocken” nicht mehr zur Tagesgestaltung gehörten.

Als ich bereits begann, mich auf Warcraft IV zu freuen, kam dann der Tiefschlag aus Kalifornien: Sämtliche Pläne für “Warcraft Adventures” waren eingestampft worden. Kein Singleplayer-Rollenspiel sondern ein reines Online-Game sollte es werden. Der Name: World of Warcraft (Der Schlusssatz des originalen “Warcraft”-Intros lautet übrigens: “Welcome to the World of Warcraft”).

Ich war noch immer interessiert, wenn auch nicht mehr so übermäßig, gerade auch weil schon Gerüchte aufkamen, dass eine monatliche Gebühr von 10 EUR fällig sein würde.

Nun, kam Zeit, kam Rat, kam “World of Warcraft”.

Obwohl ich nun also ein absoluter Fan der Serie bin, die eingeschweißten “Actionfiguren” in einem Regalfach stehen habe, diverse Bücher und Fanfiction gelesen habe, jedes Spiel und Addon der Serie (ich schließe WoW bewusst aus) gekauft habe und obwohl die Untoten- und die Orc-Boxart zu den wenigen Postern gehören, die meine Zimmer (nicht fragen, kompliziert und langwierig) schmücken… trotz all dieser Faktoren hat Blizzard mich mit “World of Warcraft” vor den Kopf gestoßen und als Kunden verloren, vielleicht sogar auf Dauer aus den Warcraft-Welten vertrieben.

In “meinen” Warcraft-Welten ging es um epische Schlachten zwischen Gut und Böse, um die Zerstörung gegnerischer Festungen, die Eroberung gegnerischen Territoriums, die Entdeckung magischer Talismänner oder die Erforschung neuer Technologien und Zauber.

Es ging nicht darum, monatlich 10 EUR an den Provider zu überweisen, nicht darum, seinen Charakter möglichst schnell auf Stufe 60 hochzupaddenpushen, nicht darum, mit dem Verkauf von Gegenständen in der wirklichen Welt ein kleines Vermögen anzuhäufen.

Anders gesagt: “World of Warcraft” hat das Warcraft-Universum banalisiert, die Fantasy, das Faszinierende, das Begeisternde, das Geheimnisvolle ein für allemal daraus vertrieben.

Vielen Dank, Blizzard Entertainment.