Es war also die erste vom neuen Oberarzt selbst geleitete Visite. Er kam, sah – und brachte große Neuigkeiten. Anfang Februar, in ziemlich genau drei Wochen könnte mein Aufenthalt in der Klinik tatsächlich zu Ende gehen. Nach über vier Monaten könnte ich erstmals wieder in meinem eigenen Bett schlafen, beim Blick aus dem Fenster die Nachbarschaft sehen, in der ich aufgewachsen bin statt des Wohnheims gegenüber, an meinem Schreibtisch sitzen, meine Agamen beobachten…
Vier Monate. Eine lange Zeit und für den Großteil dieser Zeit wünschte ich mir nichts mehr als zurück in meine eigenen vier Wände zu dürfen. Zurück nach Hause. Nach Hause? Wäre es nur so einfach.
Nach beinahe vier Monaten bin ich hier kein Fremder mehr, kenne die wichtigsten Anlaufstellen und Personen im Haus und die Station und die nähere Umgebung der Klinik sind mir vertraut. Ich habe viel Zeit mit vielen Therapeuten verbracht, wie mir die vielen bekannten Gesichter klar machen, die mich auf meinem Weg durch die Klinik freundlich grüßen. Therapeuten, von denen mir oft alles abverlangt wurde, was mein genesender Körper zu geben hatte – und manchmal mehr. Therapeuten, die genau weil sie wussten wie sie mich durch Forderung förderten einen nicht unerheblichen Anteil an meinen Fortschritten und Erfolgen hatten und noch haben und mir durch oft größeres Vertrauen in meinen Körper als ich selbst es hatte erst echtes Vertrauen in diesen Körper beibrachten.
Und dann natürlich – die Schwestern und Pfleger, die sich so wunderbar darum bemühten, dem übergroßen Fötus, der da im Oktober in ein Krankenzimmer geschoben wurde, ein Gefühl von Normalität zu vermitteln, von Sicherheit und Professionalität – das Gefühl in guten Händen zu sein. Im Lauf der Monate schwand in vielen Fällen das rein professionelle Verhältnis und wich einer Vertrautheit, vielleicht sogar den Grundzügen einer Freundschaft. Sie erlebten mich körperlich und mental schutzlos und ausgeliefert, freuten sich mit mir an meinen Fortschritten, lachten, lästerten und blödelten, richteten mich moralisch – und körperlich – wieder auf und traten mir in den Hintern wenn ich eigentlich gerade keine Lust auf Training außerhalb der eigentlichen Therapien hatte.
Mein Verstand weiß, dass ich hier nicht her gehöre. Mein Herz wird das alles dennoch vermissen.